Kleine Harsumer Kirchengeschichte
Die Kirche St. Cäcilia in Harsum
Die Anfänge der Kirche von Harsum liegen völlig im Dunkeln. Das auf dem Gebiet der Diözese Hildesheim seltene Patrozinium deutet darauf hin, dass schon bald nach der Bistumsgründung, die im Jahr 815 erfolgte, hier ein Gotteshaus errichtet wurde. Denn auch die erste Bischofskirche in Hildesheim war der römischen Märtyrerin Cäcilia geweiht, deren Gebeine 821 aus der Callixtuskatakombe in Rom nach Santa Cecilia in Trastevere überführt wurden. Die örtliche Nähe zur späteren Domäne außerhalb der früheren Dorfmitte, dem „Thie,“ lässt darauf schließen, dass es sich dabei um die Eigenkirche auf dem Grund und Boden eines Adeligen handelte. Über die Gestalt des ersten Gotteshauses wie auch späterer Kirchengebäude ist nichts bekannt. Nur wenig wissen wir auch über den barocken Vorgängerbau der heutigen Kirche, zu dem 1732 der Grundstein gelegt wurde und der am Vortag des Patronatsfestes, am Morgen des 21. November 1883 nach einem nächtlichen Blitzeinschlag bis auf die Grundmauern niederbrannte.
Schon drei Jahre später erstand an der gleichen Stelle die heutige Pfarrkirche. Möglich geworden war dies unter anderem durch die große Spendenbereitschaft der Harsumer Gemeindemitglieder. Gegen den Widerstand der bischöflichen Behörde in Hildesheim, die größte Bedenken hatte, dass der allzu großzügig geplante Neubau finanziert werden konnte, hielten der damalige Kirchenvorstand zusammen mit Pfarrer Theodor Schmitz an dem geplanten Vorhaben fest und ließen sich darin auch nicht beirren, als kein Vertreter der bischöflichen Behörde an der Grundsteinlegung teilnahm. Entworfen wurde das dreischiffige Kirchengebäude mit kreuzförmigem Grundriss in neuromanischem Stil von dem Architekten Christoph Hehl. Bei der unter Pfarrer Clemens Schönberner erfolgten umfangreichen Renovierung des Kircheninneren aus Anlass des 100. Weihetags 1986 wurde in der Vierung eine Altarinsel für den Zelebrationsaltar errichtet, der an allen Seiten mit biblischen Reliefdarstellungen versehen ist.
Die Ausmalung der Kirche
Mit der reichhaltigen Ausmalung konnte erst zehn Jahre nach Fertigstellung des Kirchengebäudes 1896 begonnen werden, nachdem die Schuldenlast für den Bau zum größten Teil abgetragen war. Die Initiative dazu ging von Pfarrer Franz Mellin aus. Durch Vermittlung des Inhabers des St. Bernward-Instituts in Mainz, das ein Fachgeschäft für Paramente und sakrale Geräte mit eigenen Werkstätten war, hatte er Verbindung zu dem Mainzer Kirchenmaler Valentin Volk aufgenommen, der im süddeutschen Raum schon einen Namen hatte und gern auch in Norddeutschland bekannt werden wollte. Die im Pfarrarchiv aufbewahrte Korrespondenz zwischen Mellin und Volk lässt erkennen, dass das Bildprogramm im Wesentlichen auf Pfarrer Mellin zurückgeht, der nach dem Urteil des aus Harsum stammenden Hildesheimer Theologieprofessors Konrad Algermissen ein gelehrter Priester war. Die bunte Bilderwelt unserer Kirche mag auf den ersten Blick einen verwirrenden Eindruck hinterlassen. Bei sachkundiger Betrachtung aber lässt sie ein großartiges theologisches Konzept erkennen, das in den einzelfigürlichen Darstellungen des Mittelschiffs und den Gemälden der Vorhalle und der Apsis die ganze Heilsgeschichte des Alten und des Neuen Bundes in den Blick nimmt, die in Christus, dem menschgewordenen Wort Gottes und ewigen Hohenpriester, ihren unüberbietbaren Höhepunkt erreicht hat. Eigene Bilderzyklen sind der Gottesmutter Maria im südlichen und der Kirchenpatronin Cäcilia im nördlichen Querhaus gewidmet.
Wie die Architektur verdankt sich auch die Malerei der damaligen Stilrichtung des Historismus, der sich ganz bewusst die großen Stile früherer kunsthistorischer Epochen zum Vorbild nahm. Die Gemälde an den Wandflächen sind nicht nur stilistisch der gotischen Malerei nachempfunden, sondern kopieren zum Teil Kunstwerke aus dieser Zeit, nämlich einige Kupferstiche von Martin Schongauer, sowie ebenfalls dem Historismus verpflichtete zeitgenössische Kunstwerke, besonders solche des Nazareners Julius Schnorr von Carolsfeld.
Das historische Privileg der Pfarrerwahl
Wann die erstmals in einer Urkunde von 1275 erwähnte Pfarrei in Harsum errichtet wurde, wissen wir nicht. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Pfarrer durch die Inhaber einer Reihestelle, die so genannten Reiheleute, gewählt. Zurückgeführt wird dieses Privileg auf die Schlacht bei Dinklar 1367, in der der damalige Fürstbischof Gerhard von Berg mit Hilfe der Harsumer, unter denen besonders der „Smett von Hassen“ hervorgetreten sein soll, den Braunschweiger Herzog Magnus I. besiegte. Die Bestimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass Rechte und Privilegien, die die Freiheit des Bischofs bei der Verleihung von Ämtern und Benefizien beeinträchtigen, abgeschafft werden, hat der damalige Bischof Heinrich Maria Janssen bei der Wiederbesetzung der Pfarrstelle 1972 auch auf das Harsumer Privileg der Pfarrerwahl angewandt. Der zuletzt gewählte Pfarrer war Joseph Lampe (1949-1972).
Das Primissariat
1764 wurde eine zweite Seelsorgestelle, das sogenannte Primissariat, durch Bischof Friedrich Wilhelm von Westphalen errichtet. Es war durch den Domkapitular und Domkellner Karl Gottfried von Hasencamp gestiftet und mit Kapital und Ländereien ausgestattet worden für den Unterhalt eines Primissars, der als Hilfsgeistlicher verpflichtet war, an Sonn- und Feiertagen und zweimal wöchentlich die „Frühmesse“ (prima missa) zu feiern und den Pfarrer in der Ausübung der Seelsorge zu unterstützen. Bis 1972 gab es einen Primissar in Harsum. Seitdem wurde die Stelle nicht mehr besetzt. Das Primissariatsgebäude ist jetzt Sitz der Dekanatsrendantur und Wohnsitz eines Ruhestandsgeistlichen. Auf dem früheren Gartengelände befindet sich seit 1997 der Neubau des 1909 auf Initiative von Pfarrer Mellin errichteten und fast 90 Jahre lang von Vinzentinerinnen geleiteten Katholischen Kindergartens St. Vincenz.
Die Muttergotteskapelle
Im Osten des Muttergottesholzes steht die von Pfarrer Anton Paasch entworfene und 1857 eingeweihte Kapelle zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis Mariens, die am Ostgiebel eine offene Nische hat, in der die 1726 im Freien errichtete Statue einer barocken Marienfigur nicht mehr dem Wetter ausgesetzt ist.
Literatur
St. Cäcilia, Harsum 1986. Chronik zum 100. Weihetag der Pfarrkirche St. Cäcilia, Harsum. B. Bruns, Gemalte Christologie ─ Zum theologischen Gehalt der Ausmalung der katholischen Pfarrkirche St. Cäcilia in Harsum, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 54 (1986) 151-180. B. Bruns, Die hl. Cäcilia. Römische Märtyrerin und Kirchenpatronin von Harsum, Bad Salzdetfurth 2001. B. Bruns, Kunstwerke von M. Schongauer, J. Schnorr v. Carolsfeld und M. Schmalzl als Vorlagen für die Ausmalung der katholischen Pfarrkirche in Harsum, in: Jahrbuch für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 75/76 (2007/2008) 1-20. H. Engfer, Der Harsumer Gesangbuchstreit, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart 34 (1966) 56-77.
Text: Bernhard Bruns, Harsum Fotos: Heinz Mainka, Luttrum